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AG Norderstedt zur Belehrung des Schuldners via Internetveröffentlichung

RA Kai Henning weist in seinem aktuellen InsO-Newsletter auf AG Norderstedt Beschl. 29.04.2019, 66 IN 139/13 hin:

Die Belehrung des Schuldners gem. § 175 Abs. 2 InsO über das Vorliegen einer vorsatzdeliktischen Forderungsanmeldung und die Möglichkeit des Widerspruchs gegen diese Anmeldung kann per Internetveröffentlichung erfolgen, wenn der Aufenthalt des Schuldners nicht zu ermitteln ist.

Anmerkung von Kai Henning: Das Amtsgericht Norderstedt beschäftigt sich hier mit einer interessanten Fallgestaltung, die -soweit ersichtlich- bislang weder von Rspr. noch Literatur behandelt wurde. Die wesentlichen Grundaussagen zur Belehrung gem. § 175 Abs. 2 InsO dürften bislang sein: Die Belehrung ist zuzustellen, wobei die Zustellung nicht gem. § 8 Abs. 3 InsO auf den Verwalter übertragen werden kann. Ist ein Verfahrensbevollmächtigter für den Schuldner bestellt, ist an diesen zuzustellen (AG Göttingen Beschl. 30.12.2015 -74 IN 175/14-). Unterbleibt die Belehrung und widerspricht der Schuldner daher der deliktischen Anmeldung nicht, kann er auch außerhalb der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO Wiedereinsetzung gem. § 186 InsO beantragen (AG Duisburg Beschl. 26.07.2008 -62 IN 36/02-; vgl. auch AG Düsseldorf Beschl. 1.7.2014 -510 IK 125/06-).

Die Entscheidung des AG Norderstedt weckt zunächst Zweifel, da sie § 185 ZPO, der über § 4 InsO im Insolvenzverfahren Anwendung findet, ganz außer Acht lässt. Bei Rückgriff auf § 185 ZPO wäre mit den dortigen Tatbestandsvoraussetzungen ein rechtlicher Rahmen gegeben, in dem eine Entscheidung ergehen könnte. Auch der Blick auf § 688 Abs. 2 Nr. 3 ZPO, nach dem die öffentliche Zustellung eines Mahnbescheids nicht zulässig ist, stimmt skeptisch. Wenn der Gesetzgeber im vereinfachten Mahnverfahren zumindest zu Beginn dieses Verfahrens eine öffentliche Zustellung nicht für angebracht hält, spricht einiges dafür, die öffentliche Zustellung im ohne richterliche Prüfung ablaufenden Tabellenverfahren ebenfalls abzulehnen.

Aber vor allen Dingen dürfte die öffentliche Zustellung der Belehrung gar nicht erforderlich sein, um Gläubiger- und Schuldnerrechte angemessen zu wahren. Dies zeigen die oben angegebenen Entscheidungen der Amtsgerichte Duisburg und Düsseldorf. In beiden Verfahren war der Schuldner nicht gem. § 175 Abs. 2 InsO belehrt worden, was sich erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung in der von den Gläubigern dann betriebenen Zwangsvollstreckung herausstellte. Den Schuldner blieb trotzdem über die „entfristete“ Wiedereinsetzungsmöglichkeit eine konkrete Abwehrmöglichkeit. Es erscheint daher bei vollständiger Unerreichbarkeit des Schuldners sachgerechter, die Forderung des Gläubigers als Forderung aus vorsätzlich unerlaubtem Handeln in die Tabelle aufzunehmen, und dem Gläubiger nach Erteilung der Restschuldbefreiung auch gem. § 201 Abs.2 InsO eine vollstreckbare Ausfertigung der Tabelle  zu erteilen. Ist der Schuldner dann im Vollstreckungsverfahren wieder erreichbar, kann er mit Hilfe der Wiedereinsetzung noch Widerspruch gegen den Deliktscharakter der Forderung einlegen, wenn er den Vorwurf des vorsatzdeliktischen Handelns für unberechtigt hält.