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RA Henning zu LSG NRW und der Aufrechnung von Sozialleistungsträgern in Inso-Verfahren

Mitte Juni hatten wir auf LSG Nordrhein-Westfalen, 15.03.2018, L 19 AS 1286/17 (Jobcenter kann nach Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr aufrechnen) hingewiesen (Meldung).

Zu dieser Entscheidung hat RA Henning in seinem InsO-Newsletter 6-2018 eine lesenswerte Anmerkung verfasst: „Ver- und Aufrechnung gem. §§ 51 und 52 SGB I mit unter der Pfändungsgrenze liegendem Sozialleistungsbezug sind nach Ansicht der Sozialgerichte auch im Insolvenzverfahren bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig (so bspw. aktuell das in der Entsch. zitierte Hess. Landessozialgericht). Schon dies führt aus insolvenzrechtlicher Sicht zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung der Sozialleistungsgläubiger. Denn zum Einen dient das Aufrechnungsverbot des § 96 InsO auch der Durchsetzung des allgemeinen Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes und zum anderen sind die durch die Auf- und Verrechnung betroffenen, unter der Pfändungsgrenze liegenden Einkommensanteile gem. § 89 Abs. 2 InsO den Unterhalts- und Deliktsneugläubigern zugewiesen.

Es beruhigt daher etwas, wenn jetzt das Landessozialgericht NRW zumindest nach Erteilung der Restschuldbefreiung keine Berechtigung der Sozialleistungsträger zur Aufrechnung mehr sieht. Die Begründung des beklagten Sozialleistungsträgers beruhte allerdings auch auf einer deutlich zu weiten Auslegung der Aufrechnungsregeln der §§ 94 und 96 InsO. Denn es muss nicht irgendeine Aufrechnungslage vor der Insolvenzeröffnung bestanden haben, sondern es müssen sich bereits vor Eröffnung die jetzt betroffenen gegenseitigen Forderungen gegenübergestanden haben. Dies kann bspw. dann der Fall sein, wenn das Finanzamt nach Erteilung der Restschuldbefreiung mit einem Steuererstattungsanspruch aufrechnet, der aus einem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung stammt.

Der BGH hat die Aufrechnungsmöglichkeiten in den Verfahren mit Restschuldbefreiung schon vor längerem (Urt. vom 19.5.11 -IX ZR 222/08-) lehrreich zusammengefasst. Eine Aufrechnung im eröffneten Verfahren mit nach Insolvenzeröffnung neu entstehenden Forderungen des Schuldners ist dem Gläubiger gem. § 96 InsO verwehrt. Monatlich neu entstehen auch die Ansprüche des Schuldners auf Sozialleistungen. Die vor der Eröffnung entstandene Aufrechnungslage wird aber wie oben dargestellt durch § 94 InsO geschützt. In der Wohlverhaltensperiode greift § 96 InsO nicht, so dass hier dem Insolvenzgläubiger die Aufrechnung auch mit nach Eröffnung entstandenen Forderungen wieder bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung möglich ist (BHG Urt. 21.7.05 -IX ZR 115/04-). Nach Erteilung der Restschuldbefreiung ist dem Insolvenzgläubiger die Aufrechnung nur dann möglich, wenn die Aufrechnungslage schon vor Insolvenzeröffnung bestand.“

Ergänzung 13.9.2018: siehe aber LSG München bejaht Verrechnung mit einer Beitragsforderung nach erteilter Restschuldbefreiung

Diese Seite wurde (zuletzt) aktualisiert am: 13.09.2018