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„Zwei Jahre Corona, steigende Preise – Immer mehr Menschen geraten in die Schuldenfalle“

Zwei Jahre Corona-Pandemie und rasant steigende Lebenshaltungskosten: Immer mehr Menschen geraten in finanzielle Not. Im Frühjahr 2022 verzeichneten die gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland im Vergleich zum Spätsommer 2021 einen deutlichen Anstieg bei der Nachfrage nach Beratung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), die zum Abschluss der Aktionswoche Schuldnerberatung veröffentlicht wurde. Gleichzeitig machte das Bündnis klar, dass ein Ausbau der Schuldnerberatung, ihre auskömmliche Finanzierung sowie Investitionen in die Digitalisierung der sozialen Schuldnerberatung dringend notwendig seien, damit überschuldete Menschen Unterstützung erfahren. Eine leistungsstarke Schuldnerberatung 
ist unabdingbar, damit die betroffenen Menschen dem Teufelskreis aus nicht beglichenen Forderungen, Scham und Überforderung entkommen.

Mehr als die Hälfte der befragten Beratungsstellen nannte zwischen zehn und 30 Prozent mehr Anfragen im Vergleich zum Sommer 2021. Damit setzt sich der Trend einer ersten Befragungswelle im Sommer 2021 fort, die bereits einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf festgestellt hat. 32 Prozent der Beratungsstellen gaben im ersten Quartal des Jahres eine erhöhte Nachfrage nach Beratung zu Miet- und Energieschulden an (Sommer 2021: 28,5 Prozent). Die Beraterinnen und Berater der Verbände berichten, dass dieser Trend sich seit dem Zeitpunkt der Befragung angesichts steigender Energiepreise verstärkt fortgesetzt hat. Einen erhöhten Informations- und Aufklärungsbedarf von (Solo)-Selbstständigen gab es in 36 Prozent, von Personen in Kurzarbeit in 29 Prozent, von Erwerbstätigen in 32 Prozent der Beratungsstellen.

Die Aufnahme von Schulden ist gesellschaftlich akzeptiert und wirtschaftlich gewollt – sei es bei der Finanzierung des Autos, der Wohnungseinrichtung oder des Smartphones. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Krankheit können aber dazu führen, dass Verbindlichkeiten nicht mehr bedient werden können. Aus vorhersehbar kontrollierter Verschuldung wird dann Überschuldung, insbesondere bei Menschen mit wenig Einkommen. 

Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen: „Pandemie und Inflation sind bei uns deutlich zu spüren. Es kommen immer mehr Menschen, die ihre Miete und Stromkosten nicht mehr zahlen können. Auch beobachten wir, dass Ratsuchende mit psychischen Erkrankungen noch häufiger als vor Corona zu uns kommen. Wir müssen leider viele wieder wegschicken, weil sie gar keinen Anspruch auf Beratung haben.“ 

Denn in Deutschland haben nicht alle Menschen die Möglichkeit, sich in der gemeinnützigen Schuldnerberatung professionell beraten zu lassen – oder erst dann, wenn es zu spät ist. Wer keine Sozialleistungen bezieht, kann Schuldnerberatung nicht kostenlos in Anspruch nehmen. So sieht es der Gesetzgeber vor. 

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland: „Das trifft vor allem Menschen, die besonders anfällig sind, weil sie meist kein finanzielles Polster haben – wie z.B. Geringverdiener, Rentnerinnen, Solo-Selbstständige, und Studierende. Wer akut in finanzielle Not gerät, greift nach jedem Strohhalm und läuft dabei Gefahr, noch tiefer in die Schuldenfalle zu tappen. Schnelle Hilfe scheinen oft unseriöse oder unqualifizierte Angebote zu versprechen, die im schlimmsten Fall gar aus der Situation Profit schlagen. Darum fordern wir ein Recht auf Schuldnerberatung für alle! Kommunen sollten verpflichtet werden, Schuldnerberatung entsprechend dem gesellschaftlichen Bedarf kostenlos vorzuhalten. Die öffentliche Hand würde davon profitieren, denn die enormen sozialen Folgekosten blieben aus.“

Fast 90 Prozent der befragten Schuldnerberatungsstellen nutzten im ersten Quartal digitale Beratungsmöglichkeiten – per Mail, Messenger- oder Video-Dienst. 

Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes: „Wir müssen die Schuldnerberatung krisenfest machen. Die Nachfrage nach Beratung erhöht sich, die Kapazitäten der Beratungsstellen reichen nicht aus, die Wartelisten werden immer länger. Wem das Wasser bis zum Hals steht, kann nicht Wochen bis zum ersten Beratungstermin warten. Das Tempo beim Ausbau der Schuldnerberatung – analog und digital – muss mit der Geschwindigkeit Schritt halten, mit der die Krisen Menschen in ökonomische Not bringen. Hilfesuchende brauchen einen leichten Zugang zu Beratung. Die digitale Erreichbarkeit ist insbesondere für junge Erwachsene zentral, die ganz selbstverständlich zuerst online nach Hilfe suchen.“

Insgesamt beteiligten sich 462 Beratungsstellen an der Umfrage.

Quelle: PM Diakonie