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BGH zur Frage der Massezugehörigkeit des Guthabens einer der Altersvorsorge dienenden Versicherung

BGH, 20.12.2018, IX ZB 8/17 – Leitsätze:

  1. Bei einer Lebensversicherung gehören Ansprüche auf die Versicherungsleistung im Versicherungsfall, die dem Schuldner als Versicherungsnehmer oder aufgrund eines unwiderruflichen Bezugsrechts zustehen, bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls zur Insolvenzmasse.
  2. Ansprüche des Schuldners auf die Todesfall- oder Erlebensfallleistung aus einer für die betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber abgeschlossenen Direktversicherung unterliegen der Nachtragsverwaltung, soweit die Ansprüche in die Insolvenzmasse fallen.

Anmerkung RA Henning im Inso-Newsletter RA Henning 1-19:

Diese wichtige, am 25.1.19 veröffentlichte Entscheidung schafft Klarheit zur offenen Frage der Massezugehörigkeit des Guthabens in einer der Altersvorsorge dienenden „Direktversicherung“. Die Feststellung des 9. Senats war nach den Entscheidungen des BGH vom 11.11.2010 (-VII ZB 87/09-) und 11.12.2014 (-IX ZB 69/12-) zu erwarten. Eine gründliche Auswertung der Entscheidung kann hier nicht erfolgen. Es sollen aber einige Rahmenbedingungen für ihre Umsetzung aufgezeigt werden. Die Umsetzung wird angesichts der meist hohen Guthaben aus den Versicherungsverträgen eine große wirtschaftliche Bedeutung haben.

Zunächst gibt der BGH am Ende der Entsch. vor, dass nur die bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstandenen Vermögenswerte der Nachtragsverteilung unterliegen können. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte Einzahlungen und die ab diesem Termin entstandenen Zinsansprüche bleiben also beim Schuldner. Der BGH stellt auch fest, dass nach Fälligkeit der Versicherungsforderung die allgemeinen Pfändungsschutzregeln gelten. Folglich kann sich eine Unpfändbarkeit der Versicherungsleistung aus § 850i ZPO ergeben, wenn der Schuldner nicht über weiteres zum Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen verfügt und den entsprechenden Schutzantrag stellt (siehe hierzu auch den in der Entsch. zitierten Beschluss des BGH vom 23.10.08 -VII ZB 16/08- Rn. 9). Die maßgeblichen Einkommensgrenzen ergeben sich aus der Pfändungstabelle des § 850c ZPO.

Des Weiteren ist eine Nachtragsverteilung zeitlich unbefristet und auch nach Erteilung der Restschuldbefreiung zulässig (BGH Beschl. vom 10. Juli 2008 -IX ZB 172/07- Rn. 9). Allerdings kann eine Nachtragsverteilung nicht hinsichtlich freigegebener Vermögenswerte erfolgen (BGH Beschluss vom 3.4.14 -IX ZA 5/14-). Der Nachtragsverteilung unterliegt zunächst die Forderung des Schuldners gegen die Versicherungsgesellschaft. Hat der Schuldner die Forderung bereits eingezogen, unterliegt der bei Schuldner vorhandene Erlös der Nachtragsverteilung (BGH Beschl. vom 26.1.12 -IX ZB 111/10-). Hat der Schuldner den Erlös bereits verbraucht, hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob er sich auf den Rechtsgedanken der §§ 818 Abs. 3, 819 BGB (Entreicherungseinwand) berufen kann (BGH wie zuvor).

Schließlich behandelt die Entscheidung die in Fällen wie dem vorliegenden häufig auch relevante Frage eines möglichen Wahlrechts des Schuldners zwischen einer Einmalzahlung oder einer monatlichen Rentenzahlung und dessen Massezugehörigkeit nicht. Die Massezugehörigkeit des Wahlrechts wird in vergleichbaren Konstellationen von der Rspr. abgelehnt (vgl. BGH Urt. 10.1.08 -IX ZR 94/06-; OLG Dresden Urt. 12.5.2005 -13 U 2131/04-; VG Düsseldorf Urt. 21.3.2011 -20 K 7697/09-).