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BGH: sofortige Restschuldbefreiung nur bei tatsächlicher Berichtigung der Verfahrenskosten

BGH, Beschluss vom 22. September 2016 – IX ZB 29/16 – Leitsatz:

„Sind keine Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten offen, kann dem Schuldner die vorzeitige Restschuldbefreiung nur erteilt werden, wenn er tatsächlich die Verfahrenskosten berichtigt hat und ihm nicht nur Verfahrenskostenstundung erteilt wurde.“

Rz. 9: Der Gegenauffassung, wonach dem Schuldner Restschuldbefreiung zu erteilen ist, wenn er zwar nicht die Kosten des Verfahrens berichtigt hat, ihm jedoch Verfahrenskostenstundung (§ 4a InsO) bewilligt wurde (AG Essen VuR 2012, 196; AG Göttingen, ZInsO 2015,1357 ff; Erdmann, ZInsO 2007, 873, 875; Pape, ZInsO 2007, 1289, 1305; Schmidt/Henning, InsO, 19. Aufl., § 300 nF Rn. 11; ders. ZInsO 2007, 1253,1258; FK-InsO/Kohte, aaO § 4b Rn. 9; ders VuR 2012, 197), kann auf der Grundlage des eindeutigen Wortlauts des § 300 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO nicht beigetreten werden.

Vorinstanzen:
AG Hannover, Entscheidung vom 11.09.2015 – 907 IK 1531/14
LG Hannover, Entscheidung vom 05.11.2015 – 11 T 35/15

02.01.2017 – Anmerkung RA Henning:

Diese Entscheidung klärt die offene Rechtsfrage, wie zu verfahren ist, wenn kein Gläubiger eine Forderung angemeldet hat, der Schuldner aber keine finanziellen Möglichkeiten hat, die Verfahrenskosten aufzubringen. Der BGH sieht keine Möglichkeit, die Berichtigung der Verfahrenskosten durch die bewilligte Stundung anzunehmen. Die Entscheidung ist nicht nur wegen der aus ihr folgenden Kosten für die Justizkassen kritisch zu sehen, sondern auch und gerade wegen der unnötigen Belastungen für die betroffenen Schuldner.

Schuldner sollten jetzt allerdings in den Verfahren ohne Forderungsanmeldungen nicht annehmen, die Verfahrenskosten unbedingt und u.U. auch durch Begründung neuer Verbindlichkeiten, zahlen zu müssen.  Sie sollten sich in diesem Sinne auch nicht unter Druck setzen lassen, sondern nur dann die Verfahrenskosten begleichen, wenn dies auch einen handfesten Vorteil für sie hat. Es ist eher Sache des Gesetzgebers, hier korrigierend einzugreifen.

Abzuwarten bleibt, wie die gerichtliche Praxis auf diese Entscheidung reagieren wird. Den Gerichten bieten sich zumindest drei Möglichkeiten. 1. Sie können dem  BGH folgen und die Verfahren auch ohne Gläubigerbeteiligung fortsetzen. 2. Sie können dem BGH nicht folgen und eine Berichtigung der Verfahrenskosten auch durch die bewilligte Stundung annehmen, was -mangels vorhandener Gläubiger- nach § 300 Abs. 4 InsO nicht angegriffen werden wird (vgl. Schmerbach NZI 2016, 1007).  3. Sie können sich schließlich auf ein treuhänderloses Verfahren einlassen (vgl. Laroche ZInsO 2016, 144), das zwar einen Teil der Kosten einspart, einer rechtlichen Grundlage aber entbehrt.

Diese Seite wurde (zuletzt) aktualisiert am: 02.01.2017