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BGH zur Insolvenzanfechtung, „auch wenn die Zahlungsaufforderung insgesamt in einem ‚freundlichen‘ Tonfall abgefasst ist“

Hier der Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 22.05.2025, IX ZR 80/24 mit dem Leitsatz.

Eine Zahlung des Schuldners an einen Sozialversicherungsträger in dem Zeitraum von drei Monaten vor Insolvenzantragstellung erfolgt nach seiner objektivierten Sicht unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung und ist damit inkongruent, wenn der Gläubiger zuvor eine Frist zur Zahlung des fälligen Beitrags gesetzt und für den Fall nicht fristgemäßer Zahlung die ohne weiteres mögliche Zwangsvollstreckung angekündigt hat, auch wenn die Zahlungsaufforderung insgesamt in einem „freundlichen“ Tonfall abgefasst ist.

Aus der Entscheidung:

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts erfolgte die Zahlung der Schuldnerin an die Beklagte aufgrund des Bescheids vom 3. März 2020 auch unter unmittelbarem Vollstreckungsdruck und ist daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als inkongruent einzuordnen. (…)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine innerhalb des Zeitraums der Deckungsanfechtung (§§ 130, 131 InsO) im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Sicherheit oder Befriedigung als inkongruent anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 2006 – IX ZR 116/03, BGHZ 167, 11 Rn. 9 mwN). Dies gilt auch, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (BGH, Urteil vom 9. September 1997 – IX ZR 14/97, BGHZ 136, 309, 311 ff; vom 20. Januar 2011 – IX ZR 8/10, ZIP 2011, 385 Rn. 6 mwN; vom 9. Januar 2014 – IX ZR 209/11, WM 2014, 324 Rn. 37, insoweit in BGHZ 199, 344 nicht abgedruckt). (…)

Der Schuldner leistet in diesem Sinne unter dem Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung, wenn der Gläubiger zum Ausdruck gebracht hat, dass er alsbald die Mittel der Zwangsvollstreckung einsetzen werde, sofern der Schuldner die Forderung nicht erfülle. Dies beurteilt sich aus der objektivierten Sicht des Schuldners (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 – IX ZR 157/05, ZIP 2007, 136 Rn. 8; vom 28. April 2022 – IX ZR 48/21, WM 2022, 1287 Rn. 48). Hierfür ist Voraussetzung, dass der Schuldner damit rechnen muss, der Gläubiger werde nach dem kurz bevorstehenden Ablauf einer letzten Zahlungsfrist mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung sofort beginnen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2010 – IX ZR 134/09, ZInsO 2010, 1324 Rn. 8; Urteil vom 28. April 2022, aaO). Dabei kann selbst eine Formulierung genügen, die dies zwar nicht ausdrücklich androht, ein derart geplantes Vorgehen aber „zwischen den Zeilen“ deutlich werden lässt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 – IX ZR 216/12, WM 2013, 806 Rn. 13 zur Androhung eines Insolvenzantrags; Schoppmeyer in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2014, § 131 Rn. 128).