Lösungsvorschlag Praktischer Fall 6

Der Fall ist dem Urteil des Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Rostock vom 20.03.2019 – 3 Sa 186/18 nachgebildet.

1. Zunächst hat das LAG entschieden, dass das Arbeitsgericht überhaupt zuständig ist. Es ist anerkannt, dass die Berechnung des pfändungsfreien Arbeitseinkommens dem Arbeitgeber als Drittschuldner obliegt und es insoweit keiner gerichtlichen Anordnung bedarf. Daher ist die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 36 Abs. 4 InsO nicht gegeben.

2. Die Schuldnerin kann auch selbst das Gehalt einklagen, ist also „aktivlegitimiert“. Es ist in diesem Fall nicht so, dass der Klagegegenstand (= der rückständige Lohn) der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters (vgl. §§ 148 Abs. 1, 80 Abs. 1 InsO) unterfällt (Rn. 28f). Denn:

a) Nach dem „eindeutigen Wortlaut“ des § 850 c Abs. 1 S. 1 ZPO sind bei der Prüfung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens die Nachzahlung rückständiger Beträge den jeweiligen Lohnzahlungszeiträumen hinzuzuschlagen und entsprechend neu zu berechnen (Rn. 31). Im Ergebnis gilt also der Grundsatz: Nachzahlungen sind bei der Bemessung des pfändungsfreien Betrages den Leistungszeiträumen zuzurechnen, für die sie gezahlt werden (vgl. schon BGH 24.01.2018, VII ZB 21/17; https://www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/?p=14482). Daher verbleibt es im vorliegenden Fall dabei, dass das Gehalt auch unter Berücksichtigung des Differenzbetrages unpfändbar ist.

b) Pfändungsfreies Einkommen wird gem. § 36 Abs. 1 InsO nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Daran ändert auch eine nachträgliche Auszahlung nichts. Es ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, wonach ein pfändungsfreier Gehaltsbestandteil, der gerade nicht der Insolvenzmasse unterliegt, nunmehr doch der Insolvenzmasse unterfallen soll, weil dieser Gehaltsbestandteil zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt wird (Rn. 31).


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