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Hohe Stornoquoten bei Restschuldversicherern

„Eine Untersuchung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Hamburg deutet auf ungewöhnlich hohe Stornoquoten bei Restschuldversicherern hin. Das ist ein Ergebnis einer nicht repräsentativen Befragung von 23 Restschuldversicherern zu Leistungs- und Stornoquoten. Dabei gab die Hälfte der Restschuldversicherer der Sparte Leben eine Stornoquote an, die über dem Branchenmittel liegt. Für Verbraucher ist ein Storno finanziell wegen geschmälerter Rückerstattungen oft besonders nachteilig. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert, Provisionshöhen zu begrenzen und klare Regeln, so dass die Versicherungsprämie nicht länger über den Kredit finanziert werden darf. 

 Restschuldversicherungen stehen seit Jahren in der Kritik – unter anderem, weil der Kreditnehmer die Versicherungsprämie samt Vermittlungskosten als Einmalbetrag bereits zu Vertragsbeginn zahlen muss. Die Banken bündeln den vom Verbraucher nachgefragten Kreditbetrag mit dem Prämienbetrag zu einem einzigen Kredit. Die so gesteigerte Kreditsumme lässt sich nur mit komplizierten Berechnungen wieder auseinandernehmen. Bei Ablösung des Kredits kann der durchschnittliche Verbraucher daher nicht mehr erkennen, wie hoch der anteilige Betrag der Versicherungsprämie in der Restschuld noch ausfällt. Fällt der Erstattungsbetrag niedriger aus als der anteilige Prämienbetrag an der Kreditrestschuld, dann wurde das Konstrukt am Ende verteuert.

Fraglich bleibt, ob der Versicherungsschutz vor Zahlungsunfähigkeit tatsächlich schützt. Laut Zahlen der Bundesregierung tritt der Versicherungsfall eher selten ein: Im Jahr 2015 haben die Restschuldversicherer nur bei etwa 0,3 Prozent der bestehenden Verträge die Kreditraten übernommen.

Stornoquote liegt über dem Branchenmittel

Auch wenn wegen des vorgegebenen Prinzips der Spartentrennung nicht jeder Restschuldversicherer jedes Risiko absichert, sind die Erkenntnisse der Marktwächteruntersuchung zur Stornoquote im Vergleich zu Versicherungen mit biometrischen Risiken (Lebensversicherungen) auffällig. Die Stornoquote drückt aus, wie viele Versicherungsverträge innerhalb eines Kalenderjahres vorzeitig abgebrochen werden. Für die Versicherungsrisiken Tod und Arbeitsunfähigkeit liegt die Stornoquote bei über der Hälfte der befragten Anbieter teils deutlich über dem Branchenmittel in diesem Bereich. Dies liegt in den Jahren 2014 bis 2017 zwischen 2,65 und 3,14 Prozent. „Restschuldversicherungen sind zwar auf relativ kurze Zeiträume ausgerichtet, werden jedoch bei über der Hälfte der befragten Anbieter besonders häufig vorzeitig beendet“, sagt Sandra Klug, Teamleitung Marktwächter Finanzen bei der Verbraucherzentrale Hamburg.

Die vorzeitige Beendigung birgt für Verbraucher oft besondere Nachteile. Vielfach wird die Einmalprämie für die Versicherung über den Verbraucherkredit finanziert und muss mit den Monatsraten abbezahlt werden. Im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung erhalten Verbraucher eine Rückerstattung, die mit pauschalen Rückrechnungsformeln ermittelt werden. Im Regelfall liegt der Erstattungsbetrag für die Versicherung unter der verbleibenden, anteiligen Restschuld des Kredites, die der Verbraucher für die Einmalprämie noch zu zahlen hat. Obwohl also zum Beispiel zum Stornozeitpunkt noch gut 80 Prozent der kreditfinanzierten Einmalprämie offen sind, bekommt der Kreditnehmer und Versicherte nur 60 Prozent der Prämie rückerstattet. „Die ohnehin sehr hohen Kosten von Restschuldversicherungen werden durch diese Praxis noch weiter in die Höhe getrieben“, so Klug. „Dem Verbraucher werden bei Beendigung einfach verdeckte Mehrkosten auferlegt – unabhängig davon ob er seinen Kredit vorzeitig ablösen will oder zusätzlichen Kredit benötigt und diesen nur durch die von der Bank diktierte Kündigung und sofortigen Neuabschluss bekommt.“

Spanne bei Antragsbewilligungen ist groß

Die Antragsleistungsquote hingegen zeigt, wie viele Leistungsanträge von Kunden innerhalb eines Kalenderjahres bewilligt werden. Sie unterscheidet sich je nach versichertem Risiko erheblich. Bei den untersuchten Anbietern von Restschuldversicherungen mit dem Versicherungsrisiko Todesfall liegt die Spannweite zwischen der höchsten und niedrigsten Quote bei über 19 Prozentpunkten. Bei Anbietern mit dem Versicherungsrisiko Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit beträgt die Spannweite sogar über 40 Prozentpunkte. Von zehn gestellten Anträgen bewilligt der Anbieter mit der niedrigsten Quote also vier Anträge weniger als der Anbieter mit der höchsten Quote. „Das deutet auf große Unterschiede in der Bewilligungspraxis, im Antragsverfahren oder der Verständlichkeit der Produkte und Versicherungsbedingungen hin“, analysiert Klug. „Bei Anbietern mit eher geringen Leistungsquoten stellen Verbraucher anteilig mehr Anträge für nicht versicherte Ereignisse. Warum die Versicherten je nach Versicherer unterschiedlich häufig erfolglose Anträge stellen, müsste weiter untersucht werden.“ Am seltensten werden Leistungsanträge für das Risiko Arbeitslosigkeit bewilligt. Im Jahr 2017 waren es bei der Hälfte der befragten Anbieter höchstens zwei von drei Anträgen.

Geschäft zu Lasten der Verbraucher

Restschuldversicherungen in der heutigen Prägung sind ein Geschäft zwischen Versicherungen und Kreditwirtschaft zu Lasten von Verbrauchern“, kritisiert Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzmarkt beim vzbv. „Der Gesetzgeber muss die erlaubte Provisionshöhe deutlich begrenzen und regeln, dass die Versicherungsprämie nicht länger über den Kredit finanziert werden darf.“ Ähnliche Regeln seien für die Versicherungsprämie erforderlich, die monatlich gezahlt werden sollte.

Methodik: Als Instrument für die Befragung wurde ein Fragebogen für die entsprechenden Daten entworfen. Da der Markt für Restschuldversicherungen in Deutschland nicht erfasst ist, wurden alle 388 bei der BaFin registrierten Versicherer mit Sitz in Deutschland (Stichtag: 27. März 2018) angeschrieben. Zusätzlich wurden noch zwölf europäische Anbieter ohne Sitz in Deutschland angeschrieben, die auf dem deutschen RSV-Markt aktiv sind. 186 Versicherer haben sich zurückgemeldet. Der größte Teil davon (147) gab wie zu erwarten an, keine Restschuldversicherungen anzubieten, 16 haben nicht an der Umfrage teilgenommen und 23 haben sich mit Daten an unserer Umfrage beteiligt. Zum Vergleich: Die BaFin hat in ihrer Marktuntersuchung zu Restschuldversicherungen aus dem Jahr 2017 die Fragebögen und Aussagen von 31 Versicherern ausgewertet. Unter den Teilnehmern befinden sich nach Eigenrecherchen die wesentlichen Akteure am RSV-Markt für Konsumentenkredite. Wir weisen darauf hin, dass wegen des vorgegebenen Prinzips der Spartentrennung nicht jeder Restschuldversicherer jedes Risiko absichert.

Über den Marktwächter Finanzen: Der Marktwächter Finanzen ist ein Projekt, mit dem der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen den Finanzmarkt aus Perspektive der Verbraucher beobachten. Hierfür werden Beschwerden und Beratungen von Verbrauchern aus allen 16 deutschen Verbraucherzentralen über ein Frühwarnnetzwerk systematisch ausgewertet. Zudem werden empirische Untersuchungen durchgeführt. So können Schwachstellen und Fehlentwicklungen erkannt, Verbraucher frühzeitig gewarnt und Aufsichts- und Regulierungsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Insgesamt untersuchen fünf Schwerpunkt-Verbraucherzentralen den Finanzmarkt: Baden-Württemberg (Geldanlage und Altersvorsorge), Bremen (Immobilienfinanzierung), Hamburg (Versicherungen), Hessen (Grauer Kapitalmarkt) und Sachsen (Bankdienstleistungen und Konsumentenkredite). Der Marktwächter Finanzen wird durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert. www.marktwaechter.de/finanzen

Quelle: PM der VZ HH