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BSG zu ALG II: Zahlung auf überzogenes Girokonto

Bundessozialgericht, Urteil vom 29.4.2015, B 14 AS 10/14 R – Rz. 31 ff:

„Die zugeflossenen 8.000 Euro sind in dieser [Anmerkung: voller] Höhe als einmalige Einnahme iS des § 11 Abs 3 SGB II zu berücksichtigen. Eine Minderung durch die Rückführung des Solls auf dem Konto des Klägers in Höhe von 2.985,89 Euro, das seine Bank aufgrund des zwischen beiden vereinbarten Dispositionskredits in Höhe von 2.900 Euro hingenommen hatte, im Zeitpunkt des Zuflusses der 8.000 Euro kommt grundsicherungsrechtlich nicht in Betracht.

aa) In Höhe des Kontosolls bestand eine Verbindlichkeit, eine Schuld, des Klägers gegenüber seiner Bank, die durch Verrechnung seitens der Bank im Rahmen einer Kontokorrentabrede mit dem Kläger getilgt worden ist (zum vereinbarten Dispositionskredit vgl K. P. Berger in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, vor § 488 RdNr 52, 55 ff, § 488 RdNr 3, 32, 147 f, 207, 228; Schürnbrand in MüKo-BGB, 6. Aufl 2012, § 491 RdNr 50, § 504 RdNr 7 ff). Zahlungen auf Verbindlichkeiten – abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltsverpflichtungen (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 7 SGB II) – sind indes nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl BSG Urteil vom 19.9.2008 – B 14/7b AS 10/07 R – SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25; BSG Urteil vom 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 RBSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19; BSG Urteil vom 20.2.2014 – B 14 AS 53/12 R – vorgesehen für SozR 4-4200 § 11b Nr 4 RdNr 27). Es kommt für die Berücksichtigung der 8.000 Euro als Einkommen rechtlich lediglich auf deren Zufluss an, und es ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Gutschrift der 8.000 Euro auf dem Konto des Klägers ein positiver Kontostand auf diesem Konto ergeben hat (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 200/10 R – juris RdNr 13).

Die normative Berücksichtigung der am 27.6.2011 zugeflossenen 8.000 Euro bleibt deshalb davon unberührt, dass diese Einnahme aufgrund des mit der Bank vereinbarten Dispositionskredits teilweise dazu gedient hat, das Kontosoll zurückzuführen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Einkommensverwendung, durch die der Zufluss der 8.000 Euro nicht teilweise den Charakter als Einkommen verliert (so zu einer vergleichbaren Konstellation BSG Urteil vom 30.7.2008 – B 14 AS 26/07 RSozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 25; BSG Urteil vom 30.7.2008 – B 14 AS 43/07 R – juris RdNr 28). Vielmehr erweist sich deren Einkommenscharakter eben darin, dass hieraus das Kontosoll zurückgeführt werden konnte (zum in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert einer Befreiung von Schulden bzw Verringerung von Verbindlichkeiten vgl BSG Urteil vom 16.5.2012 – B 4 AS 132/11 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 21).

bb) Dies wäre ebenso, wenn die Auffassung der Kläger zuträfe, dass die Rückführung des Kontosolls durch Verrechnung seitens der Bank mit einer Pfändung vergleichbar sei. Denn auch gepfändete Einkommensteile sind grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 10.5.2011 – B 4 KG 1/10 RBSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 18; vgl zur ausnahmsweisen Nichtberücksichtigung, wenn die Rückgängigmachung der Pfändung aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisiert werden kann, BSG aaO RdNr 19 ff); zudem sind die 8.000 Euro dem Konto des Klägers tatsächlich gutgeschrieben worden. Aus Rechtsgründen war der Kläger wegen der fortbestehenden Kontokorrentabrede nicht gehindert, am 27.6.2011 von seinem Konto 8.000 Euro abzuheben; ob er grundsicherungsrechtlich hierauf verwiesen werden könnte, ist für die Frage nach der Berücksichtigung von 8.000 Euro oder nur von 5.014,11 Euro als zugeflossenes Einkommen nicht relevant.

Etwas anderes folgt nicht aus dem Urteil des Senats vom 12.6.2013 (B 14 AS 73/12 R), dem sich ein für die hier aufgeworfene Frage maßgeblicher Rechtssatz nicht entnehmen lässt. Denn in jenem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob eine im Juli 2011 – dem letzten Monat eines Bewilligungszeitraums – zugeflossene einmalige Einnahme in voller Höhe zu Beginn des Folgebewilligungszeitraums ab August 2011 zu berücksichtigen war, obwohl noch im Juli 2011 die Hälfte des zugeflossenen Geldes an den Treuhänder im Insolvenzverfahren überwiesen worden war. Während dort im Rahmen eines Fortbewilligungsantrags nur die zur Verfügung stehenden bereiten Mittel zu Beginn des neuen Bewilligungszeitraums Berücksichtigung fanden (zu einer entsprechenden Situation vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 – B 14 AS 33/12 RBSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57), geht es vorliegend um den Zufluss einer einmaligen Einnahme inmitten des laufenden Bewilligungszeitraums und die Frage, ob die Einnahme in Höhe ihres tatsächlichen Zuflusses zu berücksichtigen und der Aufhebungsentscheidung über die laufende Bewilligung zugrunde zu legen ist.

Schließlich ergibt sich anderes nicht aus dem Urteil des 4. Senats vom 16.5.2012 (B 4 AS 132/11 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 60). In diesem Rechtsstreit ging es um die Frage, ob sich die Aufwendungen für Unterkunftskosten im Folgemonat minderten, obwohl der Vermieter ein Betriebskostenguthaben in voller Höhe gegen Mietrückstände aufgerechnet hatte. Während dort die Mittel aus dem Guthaben den Leistungsberechtigten schon nicht ausgezahlt wurden und zu prüfen war, ob sie diese realisieren konnten, ist vorliegend die einmalige Einnahme durch Gutschrift auf dem Konto des Klägers diesem tatsächlich zugeflossen.“

Vgl. schon www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/2015/lsg-schleswig-zu-hartz-iv-auch-geld-das-auf-ein-ueberzogenes-girokonto-fliesst-ist-anzurechnen/